"Ich bin in Plauen (Vogtland) aufgewachsen und lebte seit meinem Abschluss als Diplom-Ingenieur in Berlin, erst in Ost-, dann ab 1983 nach langwierigem Ausreiseantrag in West-Berlin. Trotz legaler Ausreise hatte die DDR für mich eine Einreisesperre verhängt, die laut Stasi-Unterlagen zunächst bis zum 31. Dezember 1999 terminiert war.
Als meine Tochter, die in Ost-Berlin bei ihrer Mutter lebte, Ende Juli 1989 heiraten wollte und mich dazu eingeladen hatte, gab es wie üblich eine Ablehnung. Die Eingabe meiner Tochter an den Staatsrat gegen diese Entscheidung ist in den Stasi-Unterlagen dokumentiert und wurde erst nach der Hochzeit wiederum abschlägig beschieden. Als Reaktion verabredeten wir uns im August 1989 zu einem kurzen gemeinsamen Aufenthalt am Plattensee in Ungarn, bei dem ich auch meinen ebenfalls in Ost-Berlin lebenden Sohn traf.
Zum Geburtstag meiner Tochter am 7. Oktober 1989, der gleichzeitig auch der 40. Jahrestag der DDR war, herrschte Ausnahmezustand an den Berliner Grenzübergängen, da allen Zivilisten die Einreise nach Ost-Berlin verwehrt wurde. Denn überall in der Stadt fürchteten die Sicherheitskräfte um den reibungslosen Ablauf der Feierlichkeiten und waren in Alarmbereitschaft, um Demonstrationen zu verhindern, mehrmals schritten sie an diesem Tag brutal ein.
Die Situation am Checkpoint Charlie an der Friedrichstraße ist in den Bildern festgehalten. Einer Westberliner Bekannten war es nach mehreren Versuchen an verschiedenen Übergängen dennoch gelungen, an der Oberbaumbrücke die Einreise zu erlangen und meiner Tochter einen Geburtstagsbesuch abzustatten."
Jürgen Lottenburger (West-Berlin)