"Es begann am 5. August 1961 in Gräfenhainichen, Sachsen-Anhalt, DDR. Wie schon so oft besuchte ich auch in diesem Jahr meine Tante in der Dänenstraße in Ost-Berlin. Dieses Mal mit einer 8mm-Kamera (AK 8) bewaffnet, welche ich seit zwei Jahren besaß.
Ich war voll freudiger Erwartung auf die große, wunderbare Stadt. Konnte ich doch auf diese Weise einen Teil Berlins auf Film gebannt mit nach Hause nehmen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was uns kurze Zeit später erwarten würde. Ich fuhr mit meiner Großmutter am Sonnabend, dem 12. August nach Westberlin. Wir suchten einige exponierte Orte auf, wie: Kurfürstendamm, Gedächtniskirche, Bahnhof Zoo sowie Flughafen Tempelhof.
Es war für uns Ostdeutsche ein super Gefühl von Freiheit, ohne Genehmigung freizügig auf dem Flughafengelände drehen zu dürfen. Am späten Nachmittag begaben wir uns zurück in den Ostsektor, ohne zu ahnen, was dort heimlich mit dieser Großstadt geschah.
Als ich am Sonntagmorgen, dem 13. August erfahren habe, dass die Grenze zu ist, kam mir zu Bewusstsein, dass ich etwas im Film festgehalten habe, was für einfache Ostbürger viele Jahre unerreichbar sein würde. Mir war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, was ich aus diesem Filmmaterial machen könnte. War es Glück im Unglück? Trotz allem Frust und aller Empörung war ich doch froh, in diesem historischen Moment zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Am 7. Oktober des gleichen Jahres, es war der 'Tag der Republik', fuhr ich wieder nach Berlin. Ich versuchte, mich mit meiner Kamera der Grenze zu nähern, was mir auch glückte. Auf diese Weise gelang es mir, auch DDR-Grenzer, zum Beispiel am Brandenburger Tor, zu filmen, selbst auf die Gefahr hin, in Verwahrung genommen zu werden.
Nun hatte ich ein Filmgerippe und mir schwebte vor, einen abgeschlossenen Film daraus zu machen. Das gelang mir, als 1989 die Mauer fiel. Ich hatte nunmehr in Farbe dieses große welthistorische Ereignis inmitten freudig jubelnder Menschenmassen hautnah erlebt.
Mit Musik und neuer Nationalhymne sowie einem politisch kritischen und spitzen Kommentar unterlegt, entstand diese private Dokumentation. Stolz kann ich heute als nunmehr 67-Jähriger (damals war ich 20) sagen, dass ich einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an die Jahre 1961 und 1989 geleistet habe."
Hans-Joachim Werner