"Die Schaffung eines neuen Grenzüberganges war in den Medien angekündigt worden. Natürlich sind wir wieder einmal schauen gegangen, was passiert. Und wir waren nicht alleine. Die Ankündigung der Maueröffnung hat gereicht, damit wieder viele Schaulustige kamen. Dieses Phänomen ist typisch für Berlin und funktioniert immer wieder. Man sage den Menschen, dass es was zu gucken gibt und sie gehen hin. Von der Westberliner Aussichtsplattform konnte man, so man einen Platz ergatterte, nach drüben gucken und den Grenzern beim Freiräumen des 'Todesstreifens' und beim Vorbereiten des Überweges zugucken. Wir sahen auch, dass Westberliner Polizisten auf das Dach ihrer 'Wanne' stiegen, um gleichfalls hinüberzuschauen, und sie waren nicht die Einzigen. Für die Grenzer muss das eine ganz komische Situation gewesen sein, schließlich war es bis dahin ihre Aufgabe gewesen, die Grenze zu sichern.
Wir hatten einen halbwegs guten Platz ergattert, und als die beiden Bürgermeister sich begegneten, waren wir so nah dran, dass wir das Gesagte hören konnten. Es war wirklich ein erhebender Moment als dann das Mauerteil herausgehoben wurde. Der Potsdamer Platz war ja mal einer der lebendigsten Plätze dieser Stadt gewesen.
Anschließend bildeten die Menschen auf der Westseite ein Spalier, um die Menschen aus dem Osten mit Sekt in Pappbechern zu begrüßen. Eine Frau aus dem Osten sagte zu uns (Westlern): 'Ihr braucht keine Angst zu haben, wir kommen nur mal schauen und gehen dann wieder nach Hause' - das fand ich unglaublich.
Die Buntheit der Mauer stand in einem schönen Kontrast zu der Bedrohung, die sie einst darstellte. Und auf Ost-Berliner Seite konnte man im Kontrollstreifen, dem 'Todesstreifen', die alten Konturen des Potsdamer und Leipziger Platzes erahnen. Die Häuser standen nicht mehr da, aber die Straßen waren geblieben.
Drei Wochen später (als dann auch schon Autos den Grenzübergang benutzen durften) hatte man sich schon an den neuen Übergang gewöhnt - er war ganz normal geworden."
Dagmar Lipper (West-Berlin)