"Zeichensetzung
Nicht nur schlugen sie mich mit dem Hammer – sie lehrten mich auch, in vorgegebenem Namen mit ihm und auf sie zurückzuschlagen, so ich die Gelegenheit wahrnahm. Der Zirkel steckte nicht nur den vorgeschriebenen Bannkreis ab – er ließ sich bei einiger Anstrengung des Hirnkastens auch verwenden, das eigene Ziel abzustecken, indem man Radius an Radius reihte. Die Niete, die beide Symbole zusammenhielt, konnte ich mit einigem Witz über all die Jahre getrost als Niete bezeichnen – ohne mich straffällig zu machen. Und den Kranz, bei dem sie Ähren mit Ehren verwechselten, habe ich genau aus diesem Grunde nie angenommen. Wie sonst hätte ich, wenn auch nicht unbeschadet, überleben können?
Hammer, Zirkel und Ährenkranz – und besonders sie allgewaltige Niete in ihrer und unserer Mitte – haben mich, ob ich nun wollte oder nicht, geformt zu dem, was ich heute bin und ohne die Macht dieses Zeichens so nicht geworden wäre. Soll ich mir nun die plötzliche Wegnahme meines schmerzlichen und lehrreichen Herkommens so einfach gefallen lassen – und mich begnügen, von einem Tag auf den anderen, mit einfachem Schwarz-Rot-Gold und dessen Folgen?"
(Aus der Sammlung "Das Mauer-Syndrom" mit Kurzprosa aus den Jahren 1961 bis 1990)
Jürgen Nagel (Ost-Berlin)