"Es war der Vorabend des 40. Jahrestages der Deutschen Demokratischen Republik, der 6. Oktober 1989. Die Jugend der DDR sollte der Partei- und Staatsführung feierlich ihren Gruß entbieten. Geplant war ein Fackelumzug entlang der Straße Unter den Linden. Ich wollte mir das Spektakel als Fotografin anschauen, war aber von meiner Berufsschule nicht für würdig genug befunden worden, um dorthin delegiert zu werden. Wenigstens die Sani-Truppe war froh über Freiwillige.
So stand ich in Sanitäter-Uniform direkt an der Marschstrecke und konnte mich eines Gruselns nicht erwehren: Mit riesigen Fahnen, tausenden Fackeln und viel Lärm und Tamtam zogen die FDJler durch Ost-Berlin. Es war ein zwiespältiger Eindruck: schaurig-schön in seiner Ausstrahlung, abstoßend in seiner kleinkarierten Monumentalität und geschmacklos angesichts seiner geschichtlichen Parallele zu den Fackelzügen der Nationalsozialisten."
Merit Schambach (Ost-Berlin)